Bakterien

Vom Mittelalter bis in die Neuzeit wurde ein Großteil der europäischen Bevölkerung durch Seuchen wie Pest, Cholera und Lepra getötet. Die Erreger dieser tödlichen Erkrankungen (Yersinia pestis, Vibrio cholerae, Mycobacterium leprae) wurden aber erst viel später entdeckt und der Nachweis für ihr gesundheitsgefährdendes Potential erbracht. Historiker schreiben den Bakterien sogar eine entscheidende Rolle für die politische und kulturelle Entwicklung Europas zu, da wahrscheinlich auch ganze Kriege durch den Einfluss dieser Mikroorganismen entschieden wurden. So soll der Russland-Feldzug Napoleons dadurch gescheitert sein, dass mehr Soldaten am Fleckfieber durch den Erreger Rickettsia prowazeki starben als durch die Verwicklung in Schlachten. Damit wurde der Abstieg Napoleons eingeleitet.

Der besondere Umstand, dass im Mittelalter bakterielle Infektionen zu Epidemien auswachsen konnten, war vor allem durch die Verbreitung der Erreger über das Trinkwasser oder über Parasiten wie Läusen gegeben. Krankheitserreger werden oft von betroffenen Menschen ausgeschieden und übertragen, und Hygiene wie wir sie heute kennen war im Mittelalter unvorstellbar. Die nicht ausreichende Trennung von Trinkwasser und fäkalverunreinigtem Grundwasser aus Sickergruben und die Übertragung durch Parasiten führte zu einem Kreislauf der Krankheitserreger, dem sich kaum ein Mensch entziehen konnte. Die Schwächung des Körpers durch Hungersnot und schwere körperliche Arbeit bereitete dann den Weg für zahlreiche tödliche Infektionen.

Neben diesen klassischen Seuchenerregern, welche in Europa heutzutage durch optimale Trinkwasseraufbereitung und Abwasserentsorgung sowie durch hohe Hygienestandards nahezu ausgerottet sind, existieren aber noch Krankheitserreger, welche zuweilen zu Infektionen führen können. Bestimmte Erreger befallen dabei bevorzugt einzelne Organe und sind für spezifische Krankheitsbilder verantwortlich: Lungenentzündung durch Pneumokokken oder Klebsiella pneumoniae, Hirnhautentzündung durch Meningokokken, Magen-Darm-Infektionen durch Escherichia coli oder Enterobacter aerogenes, Wundinfektionen durch Staphylococcus aureus, tödliche Vergiftungen des Nervensystems durch Clostridium botulinum. Das Bakterium Helicobacter pylori steht sogar im Verdacht die Ausbildung von Magenkrebs zu begünstigen.

Die Fähigkeit eine Krankheit oder eine Infektion zu verursachen, stützt sich dabei oft auf spezielle Stoffwechselleistungen der Bakterien, die es ihnen erlauben die betroffenen Gewebe zu infizieren oder eine Körperreaktion hervorzurufen, welche letztlich eine Schwächung des Menschen verursacht. So scheidet der Cholera-Erreger Vibrio cholerae im menschlichen Darm einen Giftstoff aus, welcher zu krampfartigem Durchfall und somit zu hohem Wasser- und Elektrolytverlust des Körpers führt. Clostridium botulinum produziert das stärkste natürlich vorkommende Gift, welches bisher bekannt ist: das Botulinus-Toxin. Dieser Giftstoff verhindert die Reizleitung im Nervensystem und führt zu einer Muskellähmung, welche auch das Herz außer Funktion setzen kann. Staphylococcus aureus verfügt über bestimmte Enzyme, die Proteine abbauen und somit eine Wundinfektion begünstigen.

Die Verbreitung von Bakterien ist im Gegensatz zu Schimmelpilzen meist an einen Träger gebunden. So werden Krankheitskeime durch sog. Tröpfcheninfektion oder direkten Körperkontakt über die Schleimhäute übertragen. Nur sehr wenige Arten werden über die Luft verbreitet, da Bakterien kaum einen Schutz gegen die abtötende Wirkung von UV-Licht durch Farbstoffe haben, noch gegen Austrocknung durch verdickte Zellwände geschützt sind. Dies macht sie besonders in der Luft anfällig und führt zu einem relativ raschen Absterben von Bakterien auf trockenen Oberflächen.

Das bedeutendste Merkmal der Mikroorganismen oder der Bakterien ist ihre geringe Größe von wenigen tausendstel Millimeter. Diese geringe Größe und das Oberflächen/Volumenverhältnis der Bakterienzelle wirkt sich direkt auf den Stoffwechsel aus, welcher durch hohen Stoffumsatz und große Flexibilität gekennzeichnet ist. Die Bakterienzelle bietet dabei wenig Raum eine Menge von Enzymen oder Proteinen vorrätig zu halten. Die hohe Anpassungsfähigkeit des Stoffwechsels ermöglicht es aber, immer diejenigen Enzyme zu produzieren, welche zur Verwertung eines Nährstoffes nötig sind und ihre Produktion wird erst durch das Vorhandensein des Nährstoffes induziert. Somit kann ein breites Spektrum von Nährstoffen verwertet werden und die Bakterien können sich auf aktuelle Umweltbedingungen einstellen und ständig anpassen. Diese Fähigkeit wirkt sich auch auf die Wechselwirkungen mit der Umgebung der Bakterien aus, da sie als Überlebensvorteil oft Giftstoffe ausscheiden und hohe Vermehrungsraten haben. Diese Eigenschaften verspürt der Mensch insbesondere bei Krankheitserregern. Findet ein Bakterium gute Wachstumsbedingungen vor, so verdoppelt sich seine Anzahl innerhalb weniger Minuten bis Stunden, so dass innerhalb eines Tages aus einer Zelle Millionen von Nachkommen entstehen können.

Ihre geringe Größe und Anpassungsfähigkeit bedingt auch, dass Bakterien überall zu finden sind und fast jedes Medium besiedeln können; sei es in arktischen Gebieten oder auf dem Grund des Ozeans oder in hohen Luftschichten. Die weitaus höchste Verbreitung und Artenvielfalt findet man jedoch im Boden. Das Milieu der jeweiligen Umgebung beeinflusst, welcher Typ oder Art von Bakterium bzw. Mikroorganismen vorherrscht. Besondere Einflussfaktoren sind z. B. die Verfügbarkeit von Sauerstoff, der pH-Wert (sauer oder alkalisch) oder der Wassergehalt.

Obwohl die meisten Menschen mit Bakterien nur diejenigen verbinden, welche als Krankheitserreger auftreten, überwiegt die Anzahl der nützlichen Bakterien bei weitem. Die Herstellung von Milchprodukten mit Milchsäurebakterien (Lactobacillaceae), die Regeneration von Abwasser durch die Abbauleistung verschiedenster Bakteriengruppen in Kläranlagen, die Produktion von chemischen Grundsubstanzen und der Beitrag von Bakterien zur menschlichen Verdauung sind Vorgänge, die unser Leben direkt positiv beeinflussen. Insbesondere die Mineralisierung von Stickstoff-, Schwefel- und Kohlenstoffverbindungen durch Bakterien überführt diese Elemente in eine pflanzenverfügbare Form und die natürlichen Stoffkreisläufe werden geschlossen. Ohne die Aktivität von Bakterien wäre ein Leben auf der Erde, in der Form wie wir es kennen und schätzen, nicht vorstellbar.

Im Gegensatz zur Vielfalt der möglichen Stoffwechselleistungen beschränkt sich die äußere Gestalt von Bakterien auf einige wenige Grundformen. Bis auf wenige Ausnahmen haben alle Bakterien im mikroskopischen Bild eine kugelige oder stäbchenartig-zylindrische Form. Kugelige Zellen bezeichnet man als Kokken. Hier findet man die Gattungen der Mikrokokken, Streptokokken oder Staphylokokken. Gerade Stäbchen gehören meist zu den Gattungen der Pseudomonas- oder Bacillus-Arten. Gekrümmte Stäbchen sind in der Gattung Vibrio anzutreffen. Lange, gedrehte Stäbchen werden als Spirillen bezeichnet. Viele Bakteriengattungen können sich durch Geißeln aktiv bewegen. Geißeln sind lange, fadenartige Strukturen an der Bakterienoberfläche, die eine Bakterienzelle durch eine rotierende Bewegung ähnlich einer Schiffsschraube ziehen oder schieben. Dabei können mehrere Geißeln an den Seiten der Bakterien verteilt sein oder an einem Ende der Zelle (polar) gebündelt auftreten. Manche Arten verfügen nur über eine einzelne polare Geißel. Die Geißeln können mit einer Geschwindigkeit von ca. 3000 Umdrehungen pro Minute rotieren und können die Zellen um das 300- bis 3000fache der Zellgröße pro Minute fortbewegen.

 

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